Neue Herausforderungen für den Schulbau

Wie müssen Schulgebäude beschaffen sein, damit gute Schule gelingt? Angesichts aktueller Herausforderungen stellt sich diese Frage stärker denn je.

Neue Herausforderungen

Etliche Schulbauvorhaben kommen aktuell an Ihre Grenzen. Zu komplex ist das Geflecht aus Richtlinien, Regeln, Normen und Baugesetzen geworden. Stetig steigende, teils widersprüchliche Anforderungen und Ansprüche führen zu immer aufwändigeren Lösungen. Nicht selten sind Planer:innen, Bauherr:innen und Baufirmen angesichts der Komplexität schlichtweg überfordert. Es entstehen Gebäude, die im Betrieb kaum noch beherrschbar sind, geschweige denn Entfaltung, Aneignung und Veränderungen durch die Nutzer:innen ermöglichen.

Gleichzeitig führen immer komplexere Lösungen zu immer höheren Baukosten und längeren Bauzeiten. Explodierende Baustoffpreise, die Störungen von Produktions- und Lieferketten und der allgegenwärtige Fachkräftemangel haben die Problematik zuletzt dramatisch verschärft. Angesichts begrenzter Budgets ist die Finanzierung vieler Vorhaben aktuell nicht mehr gesichert.

Standards hinterfragen, Zielsetzungen anpassen

Damit weiterhin moderne, zukunftsfähige Schulen entwickelt und gebaut werden können, müssen die gewohnten Prozesse, Standards und Qualitätsansprüche von allen Beteiligten grundlegend hinterfragt werden. Auch wir als Planende wollen die eigenen Wertvorstellungen und Arbeitsweisen hinterfragen und uns auf die wesentlichen Aspekte und die für das jeweilige Projekt passendsten Lösungen konzentrieren.

Angepasste Zielsetzungen

Schulen „offen“ entwickeln

  • Schulen als Teil einer differenzierten Bildungslandschaft im Zusammenhang mit ihrem sozialräumlichen Umfeld entwickeln

  • standortspezifische und nutzungsgerechte Programme und Organisationsprinzipien definieren

  • projektspezifische Ziele (quantitativ und qualitativ) erarbeiten und strukturieren

  • Grundlagen für innovative und kreative Planungsprozesse schaffen 

  • Entwicklungspotentiale erkennen und herausarbeiten

Schulen „einfach“ bauen

  • baufachliche Standards hinterfragen, projekteigene Zielsetzungen mit den Bauherr:innen abstimmen

  • Standardlösungen der Baustoffindustrie hinterfragen, stattdessen individuell passende Lösungen erarbeiten

  • Lösungen bewusst vereinfachen, für Planung und Bau aber auch für eine bessere Nutzbarkeit

  • maximale Kosten- und Zeiteffizienz beim Bau

Case Study OSK

Der Neubau für die Offene Schule Köln ist beispielhaft für das bewusste Hinterfragen von gewohnten Standards und Wertvorstellungen. Zu knapp waren die finanziellen Möglichkeiten, zu speziell der Bedarf und das Selbstverständnis der privat geführten Schule, um konventionelle Schulbaustandards realisieren zu können und zu wollen. Entsprechend sind Raumprogramm, Organisationsstrukturen und die bauliche Umsetzung – im wahrsten Sinne des Wortes – „ungewöhnlich“ für eine Schule.

Mit dem obersten Ziel, die Bau- und Betriebskosten minimal zu halten, gleichzeitig aber ein Maximum an flexibel nutzbaren Flächen zu schaffen, entschied man sich bewusst dafür, sich von den gängigen Qualitätsvorstellungen zu lösen und stattdessen Planungsprinzipien aus dem Industrie- und Gewerbebau anzuwenden. Im Rahmen eines Bauteamverfahrens konnte dieser Ansatz gemeinsam mit dem späteren Bauunternehmen von Beginn an realistisch und praxisnah ausgearbeitet werden.

Jörg Hempel, Aachen

Die Gebäudekonstruktion und -struktur ist möglichst einfach gehalten. Das beheizte Volumen wurde maximal reduziert, die Fluchttreppen für die zweiten Rettungswege als simple, außenliegende Stahltreppen in die Gebäudekubatur eingeschrieben. Die Lernbereiche sind konsequent als offene Raumeinheiten geplant. Die daraus resultierenden Erleichterungen hinsichtlich Schall- und sommerlichem Wärmeschutz konnten die Planung und Umsetzung deutlich vereinfachen.

Der Ausbau folgt dem Prinzip des Weglassens. Nach Möglichkeit wurde auf zusätzliche Bauteilschichten und Ausbauelemente verzichtet. Der Rohbau ist weitestgehend oberflächenfertig, Wände unverputzt, Decken oft unbekleidet. An Sichtbetonoberflächen wurden keine erhöhten optischen Ansprüche gestellt.

Die Ausbausysteme der Hochbau- und TGA-Gewerke wurden zur Vermeidung von Planungs- und Ausführungsschnittstellen klar getrennt. Auf Einbauteile und -leuchten wurde verzichtet, Installationen stattdessen Aufputz verlegt. Die Trassen- und Leitungsführung der TGA ist effizient, da die einzelnen Lerngruppen dezentral über eigene Steigschächte versorgt werden.

Jörg Hempel, Aachen

Auch die Fassadenkonstruktionen folgen der Logik des Industriebaus. Baustoffe wie Profilgläser, eloxierte Aluminium-Trapezbleche und Fensterelemente sind kostengünstig und lassen sich einfach, schnell und wirtschaftlich montieren. Die reduzierten Fensterformate sind leicht zu öffnen und zu reinigen. Die vollständig lichtdurchlässigen Außenwände mit transluzenter Wärmedämmung (Glasgespinst) sorgen für eine optimale Tageslichtausnutzung. Auch die Lernbereiche mit Raumtiefen von bis zu zwölf Metern werden so ausreichend natürlich belichtet.

Jörg Hempel, Aachen
Jörg Hempel, Aachen

Durch die Reduktion von Klarglasflächen kann der sommerliche Wärmeschutz für die Lernbereiche problemlos eingehalten werden. Zur Reduktion der Baukosten, vor allem aber zur Vereinfachung des späteren Betriebs (keine Störanfälligkeit, keine Wartung und Instandhaltungskosten, geringere Reinigungskosten), wurde in Abstimmung mit dem Bauherrn auf einen außenliegenden Sonnenschutz verzichtet. Vorhänge zur Abdunkelung werden in Eigenleistung durch die Nutzer:innen montiert, die dafür erforderlichen Schienen wurden baulich bereits vorgerüstet.

Jörg Hempel, Aachen

Gute Schule?

Wie muss ein Schulgebäude beschaffen sein, damit gute Schule gelingt? Angesichts der aktuellen Herausforderungen im Schulbau stellt sich diese Frage stärker denn je. Im Falle der Offenen Schule Köln war es nicht das makellos edle Schulhaus, sondern ein preiswertes Gebäude, das möglichst viel Raum für Aneignung, Entfaltung und Veränderung bietet.

Übertragbarkeit

Uns ist bewusst, dass die Lösungen, die für die Offene Schule Köln entwickelt wurden, keinesfalls per se übertragbar sind. Sie sind konsequente Entscheidungen in einem Prozess, der letztlich mit der Gründung der Offenen Schule Köln im Jahr 2012 angestoßen wurde. Die Gründungsphase einer neuen Schule ist geprägt von einer hohen Dynamik und der engagierten Partizipation vieler Akteurinnen und Akteure. Die klare Definition von Zielen, zunächst für den Aufbau der Schule, im Weiteren auch für die bauliche Umsetzung, sind entscheidende Parameter in diesem Projekt. Durch eine klare Priorisierung und Strukturierung der projektspezifischen Ziele konnten zielgerichtete Prozesse gestaltet werden. In der Realisierung des Projekts waren dabei von allen Beteiligten – Nutzer:innen, Planer:innen, Bauherrschaft und Baufirmen – mutige Entscheidungen gefordert.

Sie haben Fragen? Kontaktieren Sie uns.